"Es war ein herrliches Fest", schrieb der damalige Schriftführer Josef Kleier über das Jubelschützenfest von 1927 ins Protokoll. In den darauf folgenden Jahren machte sich auch in unserer Heimatregion die zunehmende Weltwirtschaftskrise bemerkbar.
Auch einige staatliche Stellen waren dem Schützenwesen nicht immer wohlgesonnen, wie man aus der so genannten "Bierverfügung" von 1929 entnehmen kann. Höchstamtlich sollte auf dem Schützenfest der Ausschank von alkoholischen Getränken an der Theke verboten werden. Nur der massive Protest des Vorstandes konnte hier Schlimmeres verhindern. Hierzu auch das Vereinsprotokoll von 1929:
Beschwerde des Schützenvereins für die Gemeinde Essen e.V. gegen die Verfügung des Amtes Oldenburg betr. Ausschank an Theken auf Schützenfesten:
"Der Schützenverein für die Gemeinde Essen i. O. e. V. fühlt sich verpflichtet, gegen obige Verfügung schärfsten Protest zu erheben. Diese Verfügung betrachten wir als einen Eingriff in bestehende uralte Sitten und Gebräuche in der Gemeinde Essen. Unser gutes altes Recht, das Bier auf dem Schützenfest dort zu trinken, wo und wie wir es seit Menschengedenken gewohnt sind, soll durch obige Verfügung diktatorisch in einen Rahmen geleitet werden, den wir nicht kennen und nicht wünschen. Wir betrachten diese Verfügung als eine unbegründete Beschränkung des freien Willens eines jeden Mitglieds unseres Schützenvereins. Die vom Amt angeführten Gründe entbehren für unser Schützenfest jeder Grundlage, sie kommen für uns in keiner Weise in Frage, sie sind nicht stichhaltig, und können deswegen von uns nicht anerkannt werden. Man kann doch nicht Auswüchse eines Vereins auf andere Vereine schieben und hiernach allgemeine Verfügungen treffen. Unser Schützenfest wird in jedem Jahre von unseren Herren Geistlichen, von dem größten Hofbesitzer und dem kleinsten Heuermann, von allen Beamten, von sämtlichen Handwerkern, Arbeitern und Angestellten besucht. Und gerade die Theke spielt auf diesem Feste eine allzu wichtige Rolle. Das ist der Ort, wo Bauer und Heuermann, Kaufmann, Angestellte und Gesellen sich zusammen finden, um ein Glas Bier in alter Frische zusammen zu trinken. Es ist der Platz, wo bestehende Freundschaften aufgefrischt, neue begründet und solche, die durch irgend einen Umstand verloren zu sein schienen, fest und innig wieder verbunden werden. Die Theke ist die Stelle frei von allem Hass, Hader und Neid, an der Theke kann und darf keiner etwas krumm nehmen. Diese wunderschöne Einrichtung sollen wir nun plötzlich mit dem steifen Sitzen auf Bänken an Tischen tauschen. Nein - niemals. Einen Klassengeist kennt man bisher Gott sei Dank in Essen nicht. Aber durch solche Verfügungen wird derselbe gleichsam heraufbeschworen. Das müssen und wollen wir vermeiden. An der Theke sind wir alle eins und nennen uns Schützenbrüder".
Im Jahre 1932 waren die Auswirkungen der Wirtschaftskrise so gravierend zu spüren, dass Essener Schützenbrüder ernsthaft überlegten, das Schützenfest wegen der allgemeinen Geldknappheit ausfallen zu lassen. In der anberaumten Generalversammlung entschied dann allerdings der weitaus größte Teil der Anwesenden, das traditionelle Fest in einem gemäßigten Rahmen nach alter Sitte in hergebrachter Weise abzuhalten.
Aus diesen schlechten Zeiten stammt auch der Vorstandsbeschluss, der dem Gerichtsvollzieher verbot, den Schützenplatz in beruflicher Funktion zu betreten, da er während des Schützenfestes schon eine Taschenpfändung vorgenommen hatte.
Zu allem Übel ging dann auch noch im Jahre 1936 die Königskette, die zu der Zeit schon 34 Plaketten trug, angeblich verloren. In einer kurz vor dem Schützenfest anberaumten Sitzung gab man den Verlust bekannt und jedermann war aufgefordert, sein Möglichstes zur Auffindung beizutragen. Auch die Polizei wurde mit dem Fall beauftragt. Eine Ersatzkette war bereits beschafft, als man die verlorenev Kette nach Jahren nur allzu gut verpackt in der hinteren Ecke eines Tresors entdeckte, dessen Eigentümer 1936 die Königswürde errang. Auch wenn die Verantwortlichen aufatmeten, war doch das Gelächter in der Gemeinde groß. Auf den Spott aus den umliegenden Gemeinden musste man ebenfalls nicht lange warten.
Im Jahre 1939 feierte man das letzte Schützenfest vor dem II. Weltkrieg. Der ermittelte König Hillen, Adolf I. und sein Königin Frau Maria geb. Hillen behielten die Regentschaft bis 1947 inne, als dann das erste Schützenfest wieder gefeiert wurde. Viele Schützenbrüder verloren in den darauffolgenden Kriegsjahren ihr Leben.
Der Vorstand des Essener Schützenvereins von 1939 mit Josef Beckmann sen. als Präsident, Heinz Kleier als Schriftführer, Anton Knollmeyer als Kassierer und Josef Tiemann als Hauptmann und Vizepräsident blieb bis nach dem Krieg im Amt.
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aus: Schützenverein für die Gemeinde Essen e.V. 1852 - 2002;
Verlag: Friedr. Schmücker, 49624 Löningen, 2002; S. 52ff