Der Festsonntag zum 100-jährigen Jubelschützenfest am 8. Juni 1952 zählt unbestritten zu den schönsten Festtagen in der Geschichte unseres Heimatortes.
Durch den nachstehenden Bericht eines Augenzeugen vom 8. Juni 1952, kann sich der Leser ein wenig von der guten alten Zeit einfangen lassen:
"Schon am Samstag beherrschten die Schützenuniformen das Straßenbild. Laut Befehl des König Bernhard (Perk) war jedes Mitglied verpflichtet, in Uniform aufzutreten und mancher mußte 1.00 DM Buße an die Polizei blechen, die sich in diesen Tagen in den Dienst der Sache stellte. Auf dem Schützenplatz traf man die letzten Vorbereitungen, die jungen Mädchen des Ortes wanden Kränze und die jungen Burschen zogen mit dem eichenen Königskranz nach alter Sitte singend durch das Dorf.
Am Sonntag sah es zunächst trübe aus. Gegen Mittag hatte der Himmel seine Schleusen geöffnet, was einen Schützenbruder zu folgender philosophischer Bemerkung veranlaßte: "An alles haben wir nun gedacht, nur eine Wetterkommission haben wir nicht eingesetzt". Aber Petrus hatte Einsehen und als die Abordnungen der auswärtigen Vereine und Tausende von Zuschauern in unserem idyllischen Dorf eintrafen, lachte die Sonne zwischen den Wolkendecken hervor.
Auf dem Schulplatz und in den umliegenden Straßen organisierte sich der Festzug. Hauptmann J. Tiemann, hoch zu Roß, gab die Parole aus: "Ohne Zapfenstreich". Dann setzte sich der wohl einmalige Festzug in Bewegung.
Vorweg ritt der Reiterverein Essen mit seiner Standarte, es folgte Tambourmajor Anton Diekmann, der den Takt zur Marschmusik der Brookkapelle gab. Nach der 54 Jahre alten Fahne des Jubelvereins folgte das Offizierskorps unter Führung von Hauptmann Tiemann, der vorausritt.
Und dann folgten die Festwagen, zwischen denen jeweils die Abordnungen der Brudervereine der Nachbarschaft marschierten. Folgende Schützenvereine der Umgebung hatten der Einladung Folge geleistet: Cloppenburg, Quakenbrück, Hengelage, Brokstreek (mit einer sehr starken Abordnung), Borg-Bottorf, Elbergen, Bersenbrück, Bunnen mit dem Königspaar, Fladderlohausen, Matrum, Lindern, Gr. Mimmelage, Lüsche mit der Musikkapelle, Addrup-Bevern-Uptloh, Löningen, Dinklage, Lastrup, Benstrup und Ermke.
Die einzelnen Festwagen waren über alle Erwartungen gut gelungen und es ist bedauerlich, dass keine Wochenschau und kein Rundfunk zugegen waren, um dieses Bild eines echten Volksfestes einzufangen. Die Ortschaft Hengelage hatte als Motiv ihres Wagens den kürzlich geborenen tausendsten Einwohner gewählt. Während im ersten Abteil des schön geschmückten Wagens die Hengelager Gemeindeväter tagten, sah man im zweiten Abteil die älteste Einwohnerin und die Mutter des tausendsten Hengelagers, der sich durch eine Puppe vertreten ließ.
Am meisten Anklang fand der stilecht ausgestaltete Wagen der Osteressener, der unter dem Motto stand: Sogar die alten Germanen mit langem Bart feierten Schützenfest auf ihre Art. Wer den grimmigen rothaarigen Germanen von Ignatz Lübbe und seine nicht minder kriegerischen Osteressener Germanen sah, konnte sich des Lachens nicht erwehren, vor allem, wenn sie mit ihren Speeren den an einen Eichbaum gebundenen römischen Krieger piekten. Das arme Opfer wurde nicht nur misshandelt, sondern durfte sich auch hin und wieder am kreisenden Methorn laben.
Sehr gut gelungen war auch der Wagen der Jäger, wo man den Zustand nach der Kapitulation - ein Jäger mit einer Gummischleuder am Gürtel steht am ,Grabe seiner Braut (des vergrabenen Gewehres) - darstellte und den jetzigen Zustand symbolisierte: ,die erste Nacht mit ihr (der Braut - dem Gewehr!), bei dem das Gewehr im Bett lag, während der Jäger am Fußboden schnarchte. Sehr viel Mühe hatte sich auch der Achterort gegeben. Sie hatten sich den Tellschuß als Vorbild genommen. In stilechten Kostümen sah man den alten Wilhelm Tell unter Kontrolle des Landvogtes Geßler und seiner Knechte auf den Apfel auf dem Kopf seines Sohnes schießen. Dank einer sinnvollen technischen Einrichtung traf der Schuß aus der Armbrust jedesmal das Ziel und da Tells Sohn jeweils den abgeschoßenen Apfel essen durfte, konnte er nachher auf dem Festplatz das ihm zustehende Stück Butterkuchen nicht mehr herunter kriegen.
Am meisten leben herrschte auf dem Festwagen der Bartmannsholter, die sich sehr viel Mühe gegeben hatten und mit ihrem humorvollen Thema "Schützenfest 1946" sehr viel Anklang fanden. "Verboten wars, trotzdem geschahs" stand über dem Wagen, auf dem der Hof von "Job und Treschen" Koldehof, Bokel en miniature aufgebaut war. Auf der Tenne herrschte ein lustiges leben, der Pseudoschützenkönig von dazumal trug als Zierde eine Kuhkette mit einem Buddel Rolinck Pils um den Hals. Auf dem Anhänger sah man den Clou des Ganzen: eine Schwarzbrennerei aus der Vorwährungszeit. Der Mantelkessel mit dem Zuckerrübeninhalt stieß dichte Qualmwolken aus seinem Schornstein und der fabrizierte "Balkenbrand" mundete den prächtigen Typen auf dem Wagen anscheinend gut.
Vom Wagen der Neustadt knallten die Gewehre, auf ihm wurde das erste Schützenfest von 1852 dargestellt. Urgemütliche Herren mit Bratenröcken und langer Pfeife feierten mit ihren ebenso gemütlichen Damen vor der Wirtschaft zur Papiermühle.
Wunderschön ausgestattet war der Wagen der Altstadt. Unter einer riesenhaften goldenen Krone saß König Bernhard mit seinem Hofstaat in Galakleidung. Auch auf dem mit Girlanden ausgeschmückten Wagen der Herberger herrschte ein frohes Treiben. Hier wiegten sich die Essener Elfen im Tanze.
Lieblich und mit viel Mühe und Sorgfalt ausgestattet waren die beiden Wagen des Kindergartens, die das Schützenfest der Allerkleinsten symbolisierten. Auf dem ersten Wagen eine frohe Schar und ein sich drehendes buntes Karussell, auf dem zweiten Wagen S.M. König Wolfgang im Purpurmantel mit seiner Königin und dem Hofstaat.
Nicht zu vergessen sind das buntgeschmückte Hochrad aus dem Jahre 1875, das Franz Holtvogt zu bändigen suchte und die Katerschiebkarre mit dem Hering als Ende vom Lied (Anton Göhrs).
Tausende von Zuschauern, die die schön geschmückten Straßen des Ortes umsäumten, waren überrascht von der herrlichen Ausstattung der Festwagen, und man muß wohl allen Ortsteilen und Bauernschaften eine Anerkennung aussprechen, dabei darf man aber den Organisator, Schützenbruder Hugo Brand nicht vergessen, der sich sehr viel Arbeit um das Gelingen gemacht hat. Im Festzug sah man außerdem viele Kutschen mit Ehrengästen, unter anderem auch den früheren Präsidenten B. Diekmann und den fast 90jährigen zweimaligen König Leonhard Hemmen. Beinahe ganz vergessen haben wir die 1200 Kinder, die sich in der Mitte des Ortes dem Zug anschlossen, denn schließlich war es ja ihr Tag. Traditionsgemäß feiert Essen am 1. Festtag das Kinderschützenfest.
Auf dem Festplatz begrüßte Präsident Dr. Beckmann die zahlreichen Gäste, man sah u. a. Oberkreisdirektor Dr. Hartong, Bürgermeister Moormann, Gemeindedirektor Riesenbeck und die Geistlichkeit beider Konfessionen. Nach dem Gedenken der gefallenen Schützenbrüder sang man gemeinsam die Dorfhymne, das Oldenburger Lied und das Deutschlandlied. Sodann überreichten junge Damen den teilnehmenden Gastvereinen ein Fahnenband. Die Schützenvereine Lastrup, Löningen, Lindern, Gr. Mimmelage, Hengelage-Brokstreek, Cloppenburg und Borg-Bottorf überreichten unter Ansprachen ihrer Vorsitzenden Fahnennägel an den gastgebenden Verein.
Während dessen hatten die Jungen mit dem Ausschießen des Kinderschützenkönigs begonnen. Die kleineren Kinder und die Mädchen erhielten im Festzelt Kakao und Butterkuchen serviert und amüsierten sich dann unter Anleitung der Lehrerschaft mit Spielen und Wettkämpfen. Gegen 17 Uhr stand der neue Kinderschützenkönig fest, als bester Schütze entpuppte sich der kleine Heinz Wichmann, der im vorigen Jahr erst im Stechen ausgeschieden war. Ihm standen die Tränen in den Augen, als er auf den Schultern seiner Kammeraden zum Thron geleitet wurde. Er erwählte sich Gertrud Menslage zur Königin, zum Hofstaat gehörten Fritz Uhlhorn und Gisela Wilken, Otto Wichmann und Hildegard Thole, Bernd Wilke und Helga Wilger und Dieter Uhlhorn und Edith Wilke. Bei der feierlichen Proklamation erhielt der neue Kinderkönig die neu gestiftete Königskette umgehängt. Außerdem bekam er eine Armbanduhr und seine Königin eine silberne Kette mit einem Aquamarin - Anhänger. Die besten Schützen wurden mit wertvollen Preisen bedacht. Auch auf den Schießständen der Erwachsenen herrschte viel Betrieb, die neue Schießhalle bestand dabei ihre Bewährungprobe. Beim Vereinsschießen (je 3 Schützen) siegte Lastrup vor dem Gastgeber Essen und dem Bürgerschützenverein Cloppenburg.
Als der Küster vom Kirchturm läutete, zog die Kinderschar mit ihrem König Heinz an der Spitze zurück ins Dorf. Auf dem Marktplatz klang noch einmal das Essener Nationallied aus frischen Kinderkehlen auf, dann verteilt die Königin eine große Tüte Bonbons an ihre Untertanen und zum Schluß ließ Schützenbruder H. Lübbe ein Hoch auf das Königspaar ausbringen.
Auf dem Festplatz entwickelte sich in dem geräumigen Zelt noch ein frohes Treiben, diesmal sah man auch viele Essener von auswärts, die sich das 100jährige Jubiläum des heimatlichen Schützenvereins nicht entgehen lassen wollten.
Am Montagmorgen fand ein Gedächtnisgottesdienst in der Pfarrkirche statt, dabei gedachte man besonders des in der vorherigen Nacht verstorbenen Schützenbruders Hans Neteler. Nach der Gefallenenehrung auf dem neuen Friedhof fand auf dem Marktplatz der Frühschoppen statt.
Am Nachmittag marschierten die Schützen unter Voranfahrt des scheidenden Königs zum Festplatz, wobei der Oberleutnant Kohorst den Hauptmann Josef Tiemann als rangältester Offizier vertrat. Nach der Abschiedsansprache von König Bernhard wurde das Königsschießen eröffnet. Den Königsschuß tat der Bauer Ernst Wessling, der seine Ehefrau zur Königin nahm. Nach der Proklamation wurde dann nach alter Sitte bis in den frühen Morgen gefeiert".
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aus: Schützenverein für die Gemeinde Essen e.V. 1852 - 2002;
Verlag: Friedr. Schmücker, 49624 Löningen, 2002; S. 63ff